Heisse Nächte und Tränengas zum Frühstück in Santiago de Chile.

11 10 2011

Für 380 Pesos erstand ich bereits einen Tag vorher ein Busticket nach Santiago, der Hauptstadt von Chile. Vom riesigen Busbahnhof Retiro führte mich die Fahrt im nicht unbequemen Semi-Cama-Bus innert 21 Stunden über die Anden nach Chile. Der Grenzübertritt auf kühler Passhöhe dauerte zwar etwas länger, die folgende Aussicht entschädigte diese Strapazen jedoch postwendend.

In Santiago angekommen fiel mir als erstes die Sauberkeit auf. Die Stadt ist weniger hektisch als Buenos Aires und entgegen allen Behauptungen auch etwas billiger. Da das La Chimba Hostel im Barrio Bellavista ebenfalls zu gefallen wusste entschied ich mich gleich ein paar Tage zu bleiben. Im Hostel traf ich erneut auf meine Mitarbeiter Marco und Martin, welche noch eine Woche auf ihren Flug auf den fünften Kontinent warten mussten.

Fussball, Chile, Primera División, neuer Ground und Länderpunkt
28.09.11 CD Palestino – CD Cobreloa
0:2 (0:1), ca. 800 Zuschauer, Estadio Municipal de La Cisterna, Santiago

Kurz nach der Ankunft war sogleich Fussball angesagt. Am Mittwochnachmittag um 16:00 traf die Palästinensische Mannschaft CD Palestino auf das Team CD Cobreloa. Das Stadion La Cisterna befindet sich weit ausserhalb des Zentrums an der zweitletzten Haltestelle der gelben Metro-Linie. Der Eintritt war mit 3‘000 Pesos (1 Schweizer Franken = ca. 565 Chilenische Pesos) äusserst günstig und zumindest im Gästeblock war etwas Stimmung vorhanden. Auch wenn der Verein offenbar weder von Popularität noch von Erfolg verwöhnt wird gibt man sich Mühe. Das in die Jahre gekommene Stadion wurde in den Farben Palästinas gestrichen und es gibt sogar einen Souvenirstand. Dies änderte jedoch nichts an der 0:2-Niederlage gegen den Gegner aus Calama.

Am Abend folgte schliesslich unsere erste Begegnung mit dem Nachtleben in Santiago. Und die hatte es in sich. Die Clubs und Bars im Barrio Bellavista sind Weltklasse, die Getränke sind erschwinglich und die Mädels bekommen das Prädikat ausgezeichnet (und stehen ganz offensichtlich auf Gringos). Da es in Santiago sehr viele Universitäten hat ist die Partyszene vorwiegend von Studenten geprägt, und die sitzen bereits am Nachmittag im Strassencafé vor einer Flasche Bier (1 Liter, 1‘000 Pesos) oder einem der traditionellen Drinks wie Terremoto oder Pisco Sour.

Etwas grenzwertig ist es schon einen populären Drink Terremoto, also Erdbeben zu nennen. Schliesslich wird Chile regelmässig von verheerenden Erschütterungen heimgesucht. Bei der letzten im Februar 2010 starben hunderte Menschen und selbst in der Hauptstadt wurden zahlreiche Häuser verwüstet. Nach Aussagen der Hostelcrew konnte man sich während des Bebens nicht mehr auf den Beinen halten. Es handelte sich übrigens um eines der schwersten Erdbeben das überhaupt je gemessen wurde.

Die kommenden Tage verliefen alle etwa nach demselben Muster: Tagsüber wurde im Hostel gechillt und Nahrung besorgt, manchmal lag sogar ein kurzer Bummel in die Stadt drin. Abends war dann entweder in unserem Hostel oder dem Schwesternhostel unweit entfernt Choripan- oder Pisco Sour-Night angesagt, ehe die die Clubs gerockt wurden. Selbst am Montagabend kommt man hier nicht vor 5:00 ins Bett (zumindest nicht ins eigene).

Das touristische Highlight war wohl die Fahrt mit der alten und äusserst steilen Standseilbahn auf den Cerro San Cristóbal, einem kleinen Berg mitten in der Stadt. Die Talstation lag nur wenige Meter unseres Domizils entfernt und kostete kaum etwas. Auf halber Strecke hielt das mit der Pilatusbahn vergleichbare Gefährt an einem Zoo, welcher aber nicht wirklich empfohlen wurde.

Auf dem Gipfel war es merklich kühler. Von der ersten Aussichtsplattform hat man einen wunderbaren Blick über die Stadt Richtung Anden. Santiago ist oft in Smog gehüllt, doch während unserem Aufenthalt hatten wir ziemliches Glück mit dem Wetter. Ganz oben, auf der zweiten Plattform befindet sich eine Art Freiluftbühne (wohl für Gottesdienste) und eine grosse, weisse Steinstatue der Jungfrau Maria, welche zahlreiche gläubige Chilenen anlockt. Wir verzichteten auf eine Beichte und genossen den Sonnenuntergang.

Inzwischen war eine Woche vergangen. Marco und Martin hatten ihren Flug angetreten und ich hatte so langsam ein Durcheinander mit welcher hübschen Chilenin ich mich jeweils treffen sollte. Am Donnerstagmorgen trat ich schliesslich den Gang in die Stadt an, doch schon vor den Toren des Hostels fingen meine Augen an zu tränen und ziemlich schnell merkte ich dass es sich um Tränengas handelte. Nur Sekunden nach diesem Gedanken verfehlte mich der Strahl eines Wasserwerfers nur um wenige Meter und mir war bewusste dass ich mich mitten in einer Demonstration befand.

Seit rund 5 Monaten demonstrieren die Studenten von Santiago, aber auch anderen Städten für ein besseres und vor allem bezahlbares Bildungssystem. Da diese Proteste jeweils ziemlich schnell von der Exekutive aufgelöst werden kommt es regelmässig zu schweren Ausschreitungen. Da tags zuvor vielversprechende Verhandlungen scheiterten hatten die Studenten umsomehr Wut auf den Staat abzubauen.

Als der Spuk vorbei und das Barrio verwüstet war zog ich in die Innenstadt. Nun ja, vor der Universidad de Chile aus der Metro zu steigen war bestimmt nicht die klügste Idee, denn hier bot sich mir dasselbe Bild. Wasserwerfer, Tränengasschwaden und eine besetzte Universität. Ich schoss aus sicherem Abstand eine Unmenge an Fotos, amüsierte mich an den herumstreunenden „Riot Dogs“ und musste mehrmals verneinen als mir junge Chilenen Pflastersteine in die Hand drücken wollten.

Aus dem Besuch der Sehenswüdigkeiten um die Plaza de la Moneda wurde an diesem Tag also nichts, den in der Avenida O‘ Higgins, der Hauptstrasse, liegen auf rund 2 Kilometern gleich 3 Universitäten. Da bei allen etwa dasselbe abging setzte die Staatsgewalt schliesslich eine Menge an Tränengas ein, welche noch Abends im ganzen Zentrum für rote Augen sorgte.

Am letzten Abend passieren immer die besten Dinge. Diese Weisheit vieler Reisenden kann ich seit Jahren bestätigen. Und so war es dann auch kein Wunder dass mein Date mit der hübschen Peruanerin Marlene am letzten Abend stattfand. Und ich sage Euch, ich war so kurz davor meinen Flug nach ins Land des Sambas zu verschieben…



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